Elisabeth Bühler-Kowarsch: Haushaltsrede 2013

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachdem Herr Körber in gewohnter Manier die Eckdaten des Haushaltes dargestellt hat, kann ich darauf verzichten und gleich dazu übergehen, aus Sicht der Grünen eine kurze Bestandsaufnahme der Stadtpolitik vorzunehmen, dann zu den möglichen Perspektiven zu kommen und das Dilemma unserer Entscheidung und unserer Arbeit hier im Stadtparlament darzustellen.

1. Bestandsaufnahme:

Das Haushaltsrecht ist das wichtigste Recht eines Kommunalparlaments, aber angesichts der Zahlen, die wir gerade gehört haben und im Haushalt nachlesen können, bleibt von diesem Recht nicht mehr viel übrig. Wir dürfen noch entscheiden, ob wir bestimmte Leistungen ganz streichen oder nur etwas kürzen, ob wir die Gebühren um 20 Punkte anheben oder gleich richtig an der Gebührenschraube drehen. In Rüsselsheim wird diskutiert, die Grundsteuer B auf 800 Punkte zu erhöhen – siehe OE von heute.

An einigen wenigen Zahlen will ich die finanzielle Schieflage unser Stadt beleuchten:

Die freiwilligen Leistungen betragen 496.791 Euro. Würden wir diese streichen, hätten wir noch immer ein Defizit und das städtische Leben wäre vollständig zum Erliegen gekommen. Wir investieren im Jahr 2013 304.000 Euro und nehmen einen Kredit von 236.000 Euro auf.
Der Substanzverlust in unserer Stadt schreitet unaufhaltsam weiter. Viele Straßen haben mittlerweile, wie früher gesagt wurde, „Ostblock-Niveau“. Wir haben einen großen Investitionsstau und können nicht investieren.

Wir benötigen einen Kassenkredit von 1,5 Millionen Euro. Von 1993 bis 2011 sind die kommunalen Kassenkredite von 1,4 Mrd. Euro auf 44,3 Mrd. Euro gestiegen. Während die Kommunen in Sachsen und Bayern fast keine Kassenkredite aufweisen, wachsen die Bestände an Kassenkrediten in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland auf hohem Niveau weiter.

Wenn wir mit kritischen Augen durch die Stadt gehen, kommt es einem vor, als ob Mehltau auf Beerfelden liegt:

Viele Leerstände, Substanzverlust an privaten oder öffentlichen Gebäuden, die Kanäle sind marode, zurückgehende Einwohnerzahlen, die Jugend wandert ab und wir können nur kleine Investitionen als Stadt tätigen, über die manch mittelständischer Betrieb nur den Kopf schüttelt, da diese Investitionen viel zu gering sind, um eine Trendwende zu erreichen.

Und unter diesen Bedingungen sollen wir bis 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Auf dem Papier mag das vielleicht noch mit einiger Zahlenakrobatik möglich sein, es in der Realität umzusetzen, ist ein Kraftakt, der kaum zu schaffen ist. Wenn dies bedeuten sollte, alle freiwilligen Leistung zu streichen und die Bürgerinnen und Bürger immer weiter zu belasten, werden wir diesen Weg nicht gehen. Wir möchten Hesseneck als „einer der teuersten Wohnplätze Hessens“ nicht ablösen. Dann sollte man ehrlicherweise, die kommunale Selbstverwaltung aufgeben.

Ich weiß nicht, in wie vielen Sitzungen wir uns in den letzten Wochen und Monaten mit der Haushaltskonsolidierung beschäftigt und über Einsparmöglichkeiten und Einnahmeverbesserungen gebrütet haben. Dann geht irgendwo ein Kanal kaputt, ein Fahrzeug gibt früher als geplant seinen Geist auf, ein Grundstücksgeschäft kommt nicht zustande und alles war umsonst.

Ich neige im Allgemeinen nicht zu Schwarzmalerei und gerade wir Grüne haben immer noch Visionen von einer besseren, gerechteren und lebenswerteren Zukunft – auch für Beerfelden. Aber es fällt zunehmend schwerer, nicht in Lethargie zu verfallen.

Aber Probleme werden nicht dadurch kleiner, dass wir jammern und die Füße hochlegen oder den Kopf in den Sand stecken.

2. Perspektiven:

Wir müssen die positiven Impulse aufnehmen und verstärken. Wir sehen eine Chance für Beerfelden in der Diskussion um das IKEK (integrierte-kommunale Entwicklungskonzept) und dessen Umsetzung– nicht allein, weil dadurch Fördergelder fließen, das ist wichtig, aber davon dürfen wir uns auch keine Wunderwirkung versprechen. Wir erhoffen uns davon aber auch eine wieder stärker werdende positive Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit Beerfelden. Wir müssen das IKEK, vielleicht unsere letzte Chance, dazu nutzen, Beerfelden aufzuwerten und positiv darzustellen.

Für müssen ein eigenes Profil entwickeln, das auch eine gewisse Strahlkraft entwickelt, damit die Menschen stolz von Beerfelden erzählen. Es gibt ja eine ganz starke Tendenz, alles schlecht zu reden. Aber wir haben doch auch ganz viel Positives, das wir herausstellen können.

Für uns als grüne Fraktion ist das unser Angebot an Kinderbetreuung in Beerfelden, hier können wir teilweise bessere und günstigere Angebote machen als in den Großstädten. Familien können hier in einer gesunden Umwelt noch relativ günstig leben. Wir haben wohnortnahe Schulangebote, die Oberzentschule hat einen guten Ruf in der ganzen Umgebung. Wir hoffen darauf, dass mit der Besetzung der Jugendpflegerstelle die Jugendarbeit wieder forciert wird.

Es gibt für den ländlichen Raum auch gute Anbindungen an den Öffentlichen Personennahverkehr (S-Bahn in Eberbach und Odenwaldbahn) zu den Metropolen sowohl nach Frankfurt als auch nach Heidelberg. Da gibt es noch jede Menge Verbesserungspotenzial, aber darauf können wir aufbauen.

Große Hoffnungen setzen wir auch in die Energiewende. Hier müssen wir als Stadt darauf achten, dass das Geld auch Beerfelden – der Stadt und seinen Bürgerinnen und Bürgern zufließt. Die dezentrale Energieversorgung ist die große Chance, die Wertschöpfung in unserer Region wesentlich zu erhöhen.

Der Mittelabfluss im Odenwaldkreis für Energie beträgt jährlich 312 Millionen Euro. Wenn es uns gelingt, dieses Geld im Odenwald zu halten, kann hier auch wieder eine positive Entwicklung einsetzen.

Wir haben angeregt und es soll für den nächsten Haushalt auch umgesetzt werden, dass wir die Beerfelder Bürgerinnen und Bürger stärker einbinden über einen Bürgerhaushalt. Das wird sicher nicht alle Probleme lösen, aber viele kleine Schritte in die richtige Richtung können auch etwas bewirken.

Wir als Kommunalpolitiker können nur mit einer engagierten Bürgerschaft die Wende zum Besseren erreichen.

3. Finanzielles Dilemma:

Wir müssten investieren um zukunftsfähiger zu werden, aber die Auflagen der übergeordneten Instanzen besagen, wir müssen sparen. Ein gordischer Knoten, der kaum zu zerschlagen ist.

Um die Finanzmisere unserer Kommune in den Griff zu bekommen, setzen wir deshalb nicht nur auf immer neue Belastungen unserer Bürger, sondern auch auf eine wesentliche Verbesserung der Einnahmesituation der Kommunen. Es muss auch im Interesse unserer Städte und Gemeinden sein, dass die prekären Beschäftigungsverhältnisse massiv zurückgedrängt werden. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro ist angesagt. Allein im Odenwaldkreis gibt es mittlerweile 1.216 Leiharbeiter – mit den Folgen für die Kommunen, da es sich sehr negativ auf die Höhe der Einkommensteuer auswirkt. Wenig Einkommen – wenig Steuern!

In Hessen muss unter einer rot-grünen Landesregierung, die wir mit der Landtagswahl im September anstreben, der kommunale Finanzausgleich zu Gunsten der Kommunen verändert werden. Die jetzige Landesregierung entzieht den Kommunen jährlich 340 Millionen Euro.

Auf Bundesebene ist die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer angesagt und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Es kann nicht sein, dass die Reichsten der Gesellschaft sich aus der sozialen Verantwortung stehlen.

Nur im Zweiklang – Einnahmeverbesserungen (Bund, Land, Kommune) der Kommunen und effiziente und effektive Verwendung der Mittel durch die Kommunen wird unsere Stadt den demografischen Wandel meistern und für die Bürgerinnen und Bürger eine Stadt sein ,in der es sich lohnt zu leben. Dies wäre die Werbung, die wir für Beerfelden benötigen.

Unsere Fraktion wird dem vorgelegten Haushalt und dem Haushaltssicherungskonzept zustimmen und wir werden uns auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass der ländliche Raum eine Zukunftschance hat.

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