Fell: „Die Überlebensfrage der Menschheit“

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v.l.n.r.: Jonas Schönefeld, Sprecher des Kreisverbandes – Manfred Ertl, Fraktionssprecher Kreistag – Hans-Josef Fell – Elisabeth Bühler-Kowarsch, Fraktionssprecherin Kreistag.

„die Überlebensfrage der Menschheit“ Erneuerbare-Energien-Experte Hans-Josef Fell referierte im Odenwald – Kreistagsgrüne wollen Energiewende voranbringen

Erbach/Odenwaldkreis – Der weltweit tätige und anerkannte Experte für Erneuerbare Energien Hans-Josef Fell, Präsident des internationalen Netzwerkes Energy Watch Group und als Bundestagsabgeordneter von 1998 bis 2013 federführender Autor des Erneuerbare-Energien-Gesetzes war jetzt auf Einladung der Kreistagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Referent zum Thema „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und Energiewende“ Gast im Odenwaldkreis.

Fraktionssprecher Manfred Ertl (Michelstadt) zeigte sich erfreut über die zahlreichen am Klimaschutz und Energiewende interessierten Besucher und begründete kurz den Sinn der geplanten Veranstaltungen „Energiewende ist mehr als Windkraft!“, betonte Ertl, die einseitige Fixierung auf Windkraft, Polarisierung und Polemik habe nicht nur die demokratische Willensbildung beschädigt, sondern auch Fortschritte in der Sache behindert. Ziel der Grünen sei es, die Bedeutung einer konsequenten Energiewende stärker in den Fokus einer interessierten und kritischen Öffentlichkeit zu rücken, um auch den Odenwald voran zu bringen.

Dass dem Energiemix der Erneuerbaren aus Sonne, Wind, Wasser und Biogas die Zukunft gehöre und gehören müsse, machte Fell in seinem frei gehaltenen Vortrag dann unmissverständlich klar. Heute hat Ökostrom einen Anteil von 35 Prozent an der Gesamtstromproduktion und damit eine Entwicklung genommen, die sämtliche, selbst positiv gesonnene Prognosen bei weitem übertroffen habe. Das sei auch nötig.

Deutlich wurde, wie der Einsatz für Klimaschutz Hans-Josef Fells Leben nachhaltig geprägt hat. Mit der Energiewende begann es im Kleinen. Als Gemeindevertreter der Grünen in Hammelburg /Unterfranken war Fell 1993 in vorderster Linie aktiv beteiligt, als die kostendeckende Einspeisevergütung für Solarstrom in seiner Heimatstadt beschlossen wurde. Eine wichtige Etappe war es als die Darmstädter Grünen, darunter der in Hammelburg geborene Jochen Partsch, mit Unterstützung Fells Mitte der 90er Jahre einen europaweit beachteten Solar-Boom auslösen konnten, weil unter der rot-grünen Stadtregierung eine Einspeisevergütung im Verbreitungsgebiet der HEAG beschlossen wurde. Im Bundestag konnte Fell dann viele der kommunalpolitisch gesammelten Erfahrungen in den Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einfließen lassen. Das Gesetz entstand urdemokratisch aus der Mitte des Parlaments und es bewirkte eine Demokratisierung der Energiepolitik. Wie Fell kritisch anmerkte, gebe es inzwischen fast nur noch Regierungevorlagen, die zudem sehr oft von Lobbyisten verfasst seien.

Überall auf der Welt wurde das EEG-Gesetz kopiert, in über 60 Ländern mittlerweile, während es in Deutschland durch die Bundesregierung systematisch zerstört und das Wachstum der erneuerbaren Energien gebremst werde, kommentierte Fell die jüngsten Entwicklungen seit 2008. Die heimische Fotovoltaik-Industrie sei mittlerweile nach China abgewandert und auch die Erzeugung von nachhaltigem Biogas wurde stark gemindert.

Als eine Schande bezeichnete es Fell, dass z. B. die Braunkohleförderung oder Hähnchenschlachtereien von der EEG-Umlage befreit sind. Immer mehr unnötige Befreiungen von Wirtschaftsunternehmen treiben die Belastung der kleinen Stromkunden in die Höhe.

Die EEG-Novelle 2017 will vom Prinzip der Einspeisevergütungen weg und zum Ausschreibungsmodell. Das Ausschreibungsmodell bevorzugt eindeutig die großen Stromkonzerne und bewirke, so Fell, dass wichtige Akteure einer dezentralen Energiewende, wie zum Beispiel kleine Energiegenossenschaften, kaum noch Chancen haben. Im Jahr 2022 sollen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen werden und müssen durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Wenn weiter gebremst wird, werden die Lobbyisten der Atomkonzerne wieder eine neue Laufzeitverlängerungsdebatte aus der Kiste holen, prophezeite der Referent.

Mit 35 Millionen bezifferte Hans-Josef Fell die weltweit zunehmende Zahl von Klimaflüchtlingen. Nicht nur Kriege und die verfehlte Wirtschaftspolitik der hochindustrialisierten Staaten schaffen diese Probleme in vielen Ländern. Wer Fluchtursachen effektiv bekämpfen will, muss die Klimapolitik in den Mittelpunkt der Politik stellen. „Erneuerbare Energien sind die Überlebensfrage der Menschheit“, zitierte Fell den bekannten Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeswar.

In der anschließenden Diskussion wurde ausführlich über neuere Entwicklungen im Bereich Klimaschutz und Erneuerbare Energien diskutiert, über Digitalisierung, Speichermöglichkeiten, Elektro-Mobilität, Landwirtschaft, Abfallmanagement, was der einzelne tun kann und vieles mehr.

Hintergrund: http://www.hans-josef-fell.de

 

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