Elisabeth Bühler-Kowarsch: Rede zum Doppelhaushalt 2022/23 der Stadt Oberzent

Haushaltsrede 2022/2023

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,

Ukraine-Krieg – Folgen und Abhängigkeiten

Unsere diesjährigen Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2022/2023 stehen und standen unter dem Eindruck der schrecklichen Bilder aus der Ukraine, die uns jeden Tag erreichen. Nie hätten wir für möglich gehalten, dass es im 21. Jahrhundert einen Krieg in Europa gibt.

Nach manchen Beratungen habe ich mich beim Nachhause gehen gefragt, was machen wir da eigentlich, wir diskutieren minimale Verschiebungen im Haushalt und Änderungen in Details und in der Ukraine werden Wohnhäuser, Kliniken und Theater bombardiert – Millionen Menschen müssen fliehen.

Gleichzeitig  erkennen wir wieder +verstärkt, den Wert unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und die Möglichkeit ohne Repressionen unterschiedliche Auffassungen zu diskutieren und zu vertreten.

Aber nun zu dem vorliegenden Doppelhaushalt, der heute schon Makulatur ist. Die Energiepreise explodieren und der Odenwaldkreis plant für das Jahr 2023 eine Erhöhung der Kreisumlage um 1,86 Prozent. Die Herausforderungen durch die vielen Flüchtlinge sind noch nicht abzusehen,  diese Menschen zu unterstützen ist aber das Mindeste, was wir vor Ort aktuell tun können.  Ein herzliches Dankeschön von uns an die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich auch diesmal wieder in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Wir befinden uns in einer Zeitenwende  der Politik – global und lokal!

Um unsere Abhängigkeit von den fossilen Energien (Gas, Kohle, Öl) aus Russland zu minimieren, ist eine andere Energiepolitik dringend notwendig. Pro Tag unterstützt Deutschland mit 500 Millionen Euro den Kriegstreiber Putin, indem wir diese Summe für die Gas-, Kohle- und Öllieferungen überweisen.  Ein unhaltbarer Zustand.  Der Umstieg auf erneuerbare Energien wurde in den letzten Jahren von der großen Koalition in Berlin behindert, wenn nicht gar verhindert.

Und was ist unser lokaler Beitrag zur Energiewende?

Schon im Januar 2019 fragten unsere Fraktion nach der energetischen Situation der städtischen Gebäude. Bis heute – drei Jahre später – liegt dazu noch keine Antwort vor. Offensichtlich fehlen diese Grunddaten, um zielgerichtet Energie einsparen zu können. Gleichzeitig leistet sich die Mehrheit im Parlament eine sinnlose Klage gegen Windräder am Katzenwinkel und kann sich nicht zu einer Entscheidung durchringen, die Windkraftdividende in Höhe von über einer Million Euro in 20 Jahren anzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass die Mehrheit beschlossen hat, keine städtischen Flächen für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen, für die wir auch noch Pachteinnahmen erzielen würden. Die Stadt Eberbach kann für fünf Anlagen auf städtischem Gebiet 1,5 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Einnahmen, die auch wir gut gebrauchen könnten, um wichtige Infrastruktur- und Zukunftsinvestitionen zu finanzieren.

In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom März 2022 sprachen sich 92% für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Wir gehen davon aus, dass auch in Oberzent viele Bürgerinnen und Bürger eine andere Energiepolitik wollen.

Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien – um Finanzminister Lindner zu zitieren.

Wind und Sonne können nicht von Diktatoren vereinnahmt werden, Wind und Sonne gehören niemanden, sie sind für uns alle da.

Der vorliegende Doppelhaushalt enthält natürlich auch Ansätze und Investitionen, die wir für sinnvoll halten und auch mitgetragen haben – z.B. den Kindertagesstätten-Ausbau, den Umbau des Bahnhofes Hetzbach, die Partizipation Energieversorgung, die Bestandsaufnahme der Gemeindestraßen und Stellenbeschreibungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung.

Aber ganz entscheidende Punkte  fehlen uns nach wie vor.

Die Innenstadt in Beerfelden  entwickelt sich weiterhin negativ, positive Ansätze sind nicht zu erkennen.

Eine kommunale Energiepolitik  ist nicht vorhanden, nicht einmal Ziele, die wir erreichen wollen, wurden diskutiert. Die anderen Fraktionen sind sich lediglich darin einig, Windenergie abzulehnen.

Die Umsetzung von beschlossenen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich Naturschutz ist mangelhaft. Hier wird regelmäßig die Verantwortung zwischen Kreis und Stadt hin- und hergeschoben, mit der Folge, dass sich niemand zuständig fühlt.

Die wichtige Buslinie 54 zum S-Bahnhof Hirschhorn erfährt keine Verbesserung. Es fehlt an Initiativen um im Gespräch mit der OREG eine bessere Anbindung zu diesem wichtigen Bahnhof zu erreichen.

Nach wie vor fahren die Busse auf der Hauptlinie 50 Michelstadt – Oberzent – Eberbach am Wochenende nur im zwei Stundentakt – ein nicht akzeptabler Zustand.

Im Gewerbegebiet Zieglersfeld ist völlig offen, wer für das Planungsdesaster bei der Abführung des Oberflächenwassers verantwortlich ist und wer die Kosten trägt.

Nun zu unseren drei Anträge zum Haushalt:

  1. Erhöhung der Aufwandsentschädigung/Budget des Kulturbeauftragten auf jährlich 15.000 Euro.
  2. Förderung von Stecker-Solargeräten (Balkon-Module für Privathaushalte) und
  3. Externe Beratung zur Innenstadtentwicklung in Beerfelden

Beim Antrag Innenstadtentwicklung in Beerfelden wurde uns zugesichert, dass bei den Beratungen externe Unterstützung mit einbezogen wird. Für uns sind der Blick von außen und neue Ansätze entscheidend für eine erfolgreiche Entwicklung.

Aufgrund dieser Zusicherung haben wir diesen Antrag im Ausschuss bereits zurückgezogen, werden allerdings darauf achten, dass diese externe Beratung auch erfolgt.

Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und die Bevölkerung ist bereit daran mitzuwirken. Der Strombedarf wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Privat genutzte Stecker-Solargeräte, auch Mini-Solaranlagen oder Balkonmodule genannt, sind ein einfacher Weg, um Teile des Strombedarf zu erzeugen. Mit einer Fördersumme von 5.000 Euro soll dies geschehen. In einigen Odenwälder Kommunen geschieht dies bereits. Umso bedauerlicher ist es, dass dieser Antrag im H+F mit der Begründung eines hohen Verwaltungsaufwandes abgelehnt wurde.

Um für die Jahre 2022 und 2023 den Kulturschaffenden weitere Perspektiven zu eröffnen, halten wir eine Aufwandsentschädigung/Budget in Höhe von jeweils 15.000 Euro für gerechtfertigt.

Wir sind enttäuscht, dass es für die anderen Fraktionen nicht möglich ist, diese Anträge, die auf die Haushaltssituation von Oberzent Rücksicht nehmen, mitzutragen.

Wir lehnen daher den Doppelhaushalt ab, nicht für das, was er  enthält, sondern für das, was uns als Weichenstellungen für die Zukunft fehlt.

Ein herzliches Dankeschön an die Verwaltung für die Erstellung des Haushalts und die Beantwortung der vielen Fragen

 

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