Elisabeth Bühler-Kowarsch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
5.2.2018
Elisabeth Bühler-Kowarsch
Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meine heutige Rede beginne ich mit einem Zitat aus meiner Haushaltsrede 2017:
„Aber wie wir dann die angehäuften Kassenkredite von über 150 Millionen Euro zurückzahlen sollen, ist nicht nur mir schleierhaft, sondern konnte auch von niemandem in der vergangenen H+F Sitzung beantwortet werden“.
In der letzten Woche wurde der Gesetzentwurf zur Hessenkasse im Landtag eingebracht und behandelt. Es gibt jetzt erstmals die große Chance für den Odenwaldkreis, die angehäuften Kassenkredite in Höhe von 142 Millionen abzulösen.
Wir haben unsere Kontakte zu den grünen Landtagsabgeordneten (Sigrid Erfurth und Eva Goldbach) genutzt, um hier für die Kommunen eine zukunftsfähige Lösung hinzubekommen.
Bei allen Vorbehalten, die die Opposition im Landtag dagegen vorbringt, ist die Hessenkasse ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann.
Natürlich sind damit auch Vorgaben verbunden, die wir als Odenwaldkreis einhalten müssen und die uns auf Jahre binden werden. Ohne die Hessenkasse bleibt allerdings das unkalkulierbare Damoklesschwert höherer Zinsen. In den USA hat mittlerweile die Zinswende nach oben eingesetzt.
Wir profitieren natürlich von der guten Konjunktur und den Orientierungsdaten des Landes Hessen, die diese Rechnung überhaupt erst möglich machen.
Wir stimmen als grüne Fraktion daher dem Beitritt zur Hessenkasse zu, ohne in die Euphorie von Herrn Buschmann zu verfallen, der im Haupt- und Finanzausschuss von einem Traum sprach, noch die Kritik von Rüdiger Holschuh in allen Punkten zu teilen oder gar von einer Wiedergutmachung des Landes zu sprechen, wie es Raoul Giebenhain bezeichnete.
Die Hessenkasse macht den Odenwaldkreis fit für die Zukunft und ist ein Signal für nachhaltige kommunale Haushaltspolitik.
Wie bekannt ist der Kreishaushalt 2018 so konzipiert, dass die Vorgaben für die Hessenkasse eingehalten werden.
Dass der Odenwaldkreis heute in der Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt mit einem kleinen Überschuss zu verabschieden, beruht zum kleinsten Teil auf eigenen Verdiensten sondern ist zurückzuführen auf die gute konjunkturelle Lage und sprudelnde Steuereinnahmen, aber auch auf erfolgreiche Regierungsarbeit der Grünen auf Landesebene.
Der Haushalt des Odenwaldkreises wird auch dadurch entlastet, dass ab dem neuen Kindergartenjahr das Land pro Kind 136 Euro an die Kommunen zahlt und der Kreis entlastet wird, da er die Kita-Beiträge für einkommensschwache Familien nicht mehr übernehmen muss.
Absolut in unserem Sinne ist, dass sich der Odenwaldkreis und der Kreis Darmstadt-Dieburg gemeinsam als Öko-Modell-Region beim Land Hessen bewerben. Der Öko-Landbau in Hessen ist mittlerweile eine Erfolgsgeschichte und sollte dies auch im Odenwald werden.
Seit 2012 mussten mehr als 15.000 deutsche Milchviehbetriebe ihren Hof aufgeben. Insgesamt entstehen immer größere Einheiten und die kleinen Odenwälder Milchviehbetriebe sind diesem Konkurrenzdruck nicht gewachsen. Statt billige Massenware für den Export zu subventionieren, müssen bäuerliche Betriebe und die nachhaltige Produktion vor Ort konsequent gefördert werden. Dies versprechen wir uns von einer Modellregion Odenwald. In Hessen wirtschaften mittlerweile 2.084 Betriebe mit über 100.000 ha Anbaufläche nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus. An dieser positiven Entwicklung sollte auch der Odenwaldkreis teilhaben.
Man konnte ja in den letzten Tagen und Wochen lesen und selbst erleben, mit welchen Problemen aktuell die Odenwaldbahn zu kämpfen hat und auch mit den Busverbindungen im Odenwaldkreis ist es nicht immer gerade einfach sein Ziel zu erreichen. Daher ist es umso wichtiger, dass der ÖPNV im Haushalt des Odenwaldkreises die notwendige Berücksichtigung findet, wobei hier immer noch viel Luft nach oben ist. Immerhin die hessischen Verkehrsverbünde bekommen bis 2021 jährlich rund 800 Millionen Euro von Bund und Land – rund ein Viertel mehr als zuvor. Damit können sie in bessere Verbindungen und Qualität investieren. Erstmals sind darunter auch wieder originäre Landesmittel.
Und auch die 500.000,– Landesförderung für das Buchungsportal von garantiert mobil war mitentscheidend, dass das Modellprojekt überhaupt anlaufen konnte. Jetzt sind wir alle gefordert, dafür positiv zu werben und es auch selbst auszuprobieren.
Mobilität im ländlichen Raum ist vielfältig und es gibt keine Standardlösung für alle. Die Grünen Hessen unterstützen daher die beiden großen Projekte in Nordhessen (Mobilfalt) und im Odenwald (garantiert mobil), genauso wie viele kleine Projekte, die die Mobilität gewährleisten sollen, aber auch eine soziale Aufgabe haben. Dazu zählen Bürgerbusse, Rufbusse, Mietfahrer-Bänke, Vereine, die Privat Carsharing und Fahrradverleih-Systeme organisieren und vieles mehr.
Unser Ziel im Odenwaldkreis muss es sein, dass das Modellprojekt garantiert mobil ein Erfolg wird und weitere Formen von Mobilität für alle unterstützt werden. Langfristiges Ziel sollte es sein: Ein Bürgerticket für ganz Hessen zu bezahlbaren Preisen für alle – analog zum Schülerticket.
Auch die im Haushalt enthaltene Stelle für die Wirtschaftsförderung Oberzent ist ein ermutigendes Zeichen, denn der südliche Odenwaldkreis kämpft mit Bevölkerungsrückgang und dem Verlust von vielen Arbeitsplätzen. In den letzten Jahren gingen allein in der Stadt Beerfelden über 1000 Arbeitsplätze im gewerblichen Bereich verloren und von ehemals über 600 Schülerinnen und Schülern an der Oberzent Schule werden inzwischen gerade mal 384 junge Menschen an dieser wichtigen Einrichtung für die Oberzent unterrichtet.
Die Finanzierung dieser Stelle ist angebracht und wird sicher auch positive Ergebnisse bringen.
Mit der zusätzlichen halben Stelle bei der Naturschutzbehörde hoffen wir, dass zumindest die eklatanten Defizite bei der Umsetzung und Kontrolle von Ausgleichsmaßnahmen endlich abgestellt werden.
Auch im Umweltausschuss bestätigten Landrat Matiaske und der Leiter der UNB die großen Mängel.
Wir würden uns zudem wünschen, wenn es von der UNB einen Plan zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität im Odenwaldkreis geben würde. Die Naturschutzpolitik im Odenwaldkreis muss einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen.
Die Grünen erwarten hier in Zukunft erhebliche Anstrengungen auch auf Kreisebene, damit die Vorgaben im Naturschutz kontrolliert und eingehalten werden. Fehlende Sanktionen bei Nichterfüllung der gesetzlichen Vorgaben ermöglichen die Missachtung von Naturschutzauflagen, und offensichtlich ist auch niemanden daran gelegen, Umweltgesetze aus reinem Verantwortungsbewusstsein einzuhalten.
Nach unserem Gespräch mit dem neuen Geschäftsführer der OREG Herrn Schwabe keimt bei uns wieder die Hoffnung, dass aus dem grünen Park für Technologien am Hainhaus doch noch ein vorzeigbares Projekt werden könnte. Seit Jahren gibt es immer wieder neue Vorschläge für die zukunftsweisende Nutzung dieses Areals – bisher ist der Erfolg bescheiden.
Wir vermissen eine ambitionierte Energie- und Klimapolitik im Odenwaldkreis. Es wird zwar einiges gemacht an Energiesparmaßnahmen und Heizungserneuerungen, aber der von uns immer wieder angemahnte Masterplan fehlt. Unser Nachbarkreis Miltenberg erstellte z.B. mit Hilfe des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg eine Energie- und Treibhausgase-Bilanz für die Region bayerischer Untermain, denn nur auf einer guten Datengrundlage ist eine effektive Energie- und Klimapolitik möglich.
Als ich vom Neujahrsempfang der neuen Stadt Oberzent vor etwas übe einer Woche nach Hause ging, das war der Sonntag, an dem die SPD auf Bundesebene sich knapp für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entschieden hat, habe ich ein SPD-Mitglied getroffen, das ich gut kenne und wir haben uns über diese Entscheidung unterhalten.
Er sagte mir damals, der Kopf ist dafür, aber der Bauch sagt nein.
Das passt ganz wunderbar zu unserem heutigen Abstimmungsverhalten zum Haushalt 2018.
Und genauso wie die SPD haben wir um diese Entscheidung gerungen und es war viel Überzeugungsarbeit nötig, uns zu der Kopfentscheidung, dem Ja für den Haushalt durchzuringen.
Wir haben das Positive und Negative des Kreishaushaltes 2018 auf eine Waagschale gelegt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir durch die Teilnahme an der Hessenkasse erstmals seit vielen Jahren die Chance sehen, die Kreisfinanzen so zu sanieren und zu stabilisieren, dass wir überhaupt wieder Handlungsspielräume gewinnen, um hier auf Kreisebene Politik zu gestalten. Daher stimmen wir sowohl dem Beschluss zur Hessenkasse, dem Haushalt 2018 und dem Antrag zur Ökomodellregion zu.
Dieses Ja heute bedeutet aber keineswegs, dass wir jetzt die Großen Koalition auf Kreisebene unterstützen, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass wir die positiven Impulse aus der Landespolitik für den Odenwaldkreis nutzen möchten.
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